Artists

Sämtliche von der Galerie Sammlung Amann repräsentierten Künstler sind mit Arbeiten in der Sammlung Amann vertreten. Die Galerie soll ihnen eine Plattform bieten ihre Arbeiten einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

 

IVAN ZOZULYA – STUTTGART

Ivan Zozulya lotet die Grenzen der Malerei aus und erweitert den Begriff eines klassischen Gemäldes durch den Einsatz weiterer Techniken, wie Tuschezeichnungen, Siebdruck, Digitaldruck ....

Er erkundet die Beziehung zwischen Darstellung und Wahrnehmung, zwischen dem Figurativen und dem nicht Repräsentativen.
In Anlehnung an die Worte von J. W. Mitchell: "Bilder sind keine passiven Agenten, sondern aktive Schöpfer von Bedeutung und Realität" untersuchen die Gemälde das Potenzial von Bildern, Realität zu erzeugen und zu manipulieren. Zozulyas Bilder erforschen die Grenzen der bildlichen Darstellung und hinterfragen, inwieweit Bilder fähig sind, Bedeutungen zu erzeugen, die über das bloße Abbild hinausgehen. Durch die Verwendung von verschiedenen Techniken und Materialien wird die Komplexität von Bildern in der heutigen Zeit und ihr Einfluss auf die Gesellschaft aufgezeigt. Sie sind eine kritische Auseinandersetzung mit der Macht der Bilder und der Notwendigkeit, ihre Wahrnehmung, ihre Glaubwürdigkeit und ihre Interpretation zu hinterfragen.

MONIKA SUPE – HOHENSCHÄFTLARN

Wenn wir die Galerie betreten, nehmen wir sofort eine synergetische Harmo- nie zwischen den ausgestellten Werken und der besonderen Räumlichkeit mit den flexiblen Wänden aus Filz wahr.
Sowohl Galerist und als auch Künstlerin sind Architekten, bringen beide ein ausgeprägtes Gespür für Raum mit, so dass auf den ersten Blick alles sehr abgestimmt und ästhetisch auf das Wesentliche reduziert wirkt

Aber eben nur auf den ersten Blick, denn Monika Supé ist hier Künstlerin und lässt die Architektin außerhalb des Ausstellungsraums zurück. Nicht nur die Technik, in der sie arbeitet – das traditionelle Handwerk des Strickens und Häkelns, allerdings nicht mit den dabei erwarteten Materialien –, kehrt die zuerst wahrgenommene Ästhetik völlig um, sondern auch der feine Humor und die Spielerei mit den Objekten.

Ihr bevorzugtes Material für die dreidimensionale Umsetzung der zeichne- rischen Idee ist Draht, ein Werkstoff, der sie vor einige Herausforderungen stellt. In zeit-, willens- und kraftaufwendigen Prozessen häkelt und strickt sie den Draht in endlosen Maschenketten oder als Gewebestrukturen und führt diesen zu neuen Formen. Es entstehen Raumgewebe, die den Unterschied von Innen und Außen aufheben.

Die Masche, das Gewebe ist also das tragende Element dieser Ausstellung, Durchlässig, flexibel, fast schon in molekularer Dichte anwesend, wirft sie Fragen auf – nach Selbst- und Raumwahrnehmung, nach Auflösung und Durchlässigkeit, nach Raum und Zeit – dabei spannt sie spielerisch einen Bogen von Pipi Langstrumpf, die sich die Welt so macht, wie sie ihr gefällt, bis zu Einsteins Relativitätstheorie – ist Zeit relativ, verläuft sie linear?

Bei Monika Supé wird die Masche selbst zu einer Zeiteinheit, denn der Pro- zess der Umsetzung des spröden Materials mit textilen Techniken stellt für die Künstlerin eine Entschleunigung, ein sich Herausnehmen aus der eigent- lichen Zeit dar.

Neben den plastischen Objekten zeigt die Ausstellung auch eine Auswahl ihrer Tuschzeichnungen. Sie erscheinen wie reingezoomte Momente, las- sen offen, ob wir uns in einem Mikro- oder Makrokosmos bewegen. Manche Arbeiten zeigen Dinge im Ausschnitt, die sich im Ganzen betrachtet ganz anders darstellen würden – Dinge werden aus dem Kontext genommen. Ein rätselhaftes Verwirrspiel beginnt – Enigmata!

Der Titel dieser Ausstellung und das Bild auf dem Ausstellungsflyer haben bei mir als Kunsthistorikerin sofort Assoziationen geweckt zu einem be- rühmten Kunstwerk des Surrealismus. Vor gut 100 Jahren, 1920, erschuf ein gewisser Emmanuel Rudnitzky, besser bekannt unter dem Pseudonym Man Ray, ein Kunstwerk mit dem Titel Enigma oder das Geheimnis des Isidore Ducasse.

Es ist nicht nur der Titel des Werkes, der diese Assoziation in mir hervorruft, sondern zum einen die textile Komponente und zum andern die Tatsache, dass Man Ray etwas in eine Wolldecke gehüllt, verschnürt und auf mehreren Ebenen dargestellt hat – als Objekt, als Fotografie und als Gemälde. Auch dieses Werk behandelt den Widerspruch zwischen Außen und Innen, Sein und Schein, Hülle und Inhalt.

Hier lässt sich der Bogen schlagen zu Monika Supés Arbeiten. Der Aspekt des Umhüllens fasziniert die Künstlerin, die Architektur umhüllt ja im weites- ten Sinne auch und unser eigener Körper ist ja in gewisser Weise eine Hülle. Wir hüllen uns in Geheimnis, umhüllen uns, schützen uns, grenzen uns ab. Ebenso wie Man Ray gibt sich Monika Supé nicht mit nur einer Hinsicht zu- frieden. Wir sehen Zwei- und Dreidimensionales, die Grenzen sind oft flie- ßend. Was uns als Rauminstallation und in Form von Objekten begegnet, setzt sich fort in Fotografie, Zeichnung und Relief.

Monika Supé lockt uns in die Falle bzw. ins Netz eines gekonnten Verwirr- spiels. Sie umgarnt uns, umdrahtet uns, lockt uns in ein Inneres, aus dem es kein leichtes Entrinnen zu geben scheint. Die Reusenhäuser oder ihre Kopf- bedeckungen, die sowohl als eigenständige Objekte, als Umhüllung eines menschlichen Körperteils wie auch als fotografische Inszenierungen exis- tieren, deuten eine Ausweglosigkeit an, die aber nur scheinbar ist, denn als Menschen können wir reflektieren und uns befreien, sozusagen durch die Maschen schlüpfen.

Und plötzlich wird das Rätsel durchschaubar, weil es gar kein Rätsel ist, weil diese Arbeiten uns als Betrachterinnen und Betrachtern sehr viel Raum ge- ben, sich eigene Gedanken zu machen.

Dr. Katrin Burtschell

BERTRAM BARTL – ULM

Der Ulmer Maler Bertram Bartl hat den Begriff der Neo-Archaik geprägt. 
„Mit dem Begriff der Archaik beschreibt Bartl das Reduzieren auf die Wesensmerkmale der Gestalt was auf frühe, archaische Kulturen hindeutet. Das kleine Neo davor allerdings weist darauf hin, dass Bartl mit seinen Bildern und Skulpturen eine neue, reflektierte, scheinbare Naivität erzeugt, die auch als ein Kommentar auf unser durch komplizierte Lebensverhältnisse entfremdetes Dasein gesehen werden kann.“ (Dr. Jürgen Glocker)

Seit 2001 sind verschiedene Werkreihen – mit teilweise monumentalen Werken – entstanden. Zum einen die Neoarchaik mit der Serie Eros und gleichgeschlechtliche Idole. Sie umfasst 70 Bilder. Die Serie der Zweigeschlechtlichen Idole hat einen aktuellen Bezug zum Diskurs über Geschlechteridentität. Einige dieser Werke wurden 2024/205 im Urgeschichtlichen Museum in Blaubeuren in der Ausstellung Eiszeitwesen. Moderne Perspektiven zur Eiszeitkunst gezeigt.

 

Ähnlich umfangreich ist die Neoarchaik-Serie Annäherung an Mexiko. Sie umfasst unter anderem 15 friesartige Bilder und etliche zum Teil farbige Arbeiten aus Ton. Hier wiederum besteht ein Bezug zum aktuellen Diskurs über kulturelle Aneignung, ebenso wie zu Grundsatzfragen der Malerei im 21. Jahrhundert. Daniela Baumann und Stefan Stegmeier haben dazu in ihren Reden interessante Aspekte hervorgehoben.

Zur Arbeitsweise von Bertram Bartl sind zwei Videos entstanden, die durch Klicken auf die Werkreihentitel oben aufgerufen werden können.

ANDREA EITEL – STUTTGART

Andrea Eitel geboren 1942 in Sonneberg arbeitete zunächst als Buchhändlerin, bis sie 1986 mit ihrer künstlerischen Laufbahn begann. Zunächst mit Aquarell- und Zeichenkursen und ab 1998 autodidaktisch im Bereich der Ölmalerei. In der Zwischenzeit hat sie einen festen Platz in der südwestdeutschen Kunstszene eingenommen und ist in verschiedenen privaten und öffentlichen Sammlungen vertreten. Ihre Arbeiten wurden in vielen Einzel- und Gruppenausstellungen gezeigt.

Den Ausgangspunkt ihrer Arbeiten bilden häufig Fotos, die sie in ihrer Heimatstadt Stuttgart oder auf Reisen gemacht hat. Aus diesem Rohmaterial, die wie Skizzen zu verstehen sind, entwickelt sie die Motive ihrer Gemälde, die bewusst keine Botschaft vermitteln sollen. Ihr Anliegen ist vielmehr die Schönheit und Sinnlichkeit verschiedener, oft alltäglicher Situationen zu zeigen. Dabei wird das Original neu komponiert, verfremdet, in seiner Perspektive verändert, seiner Farbigkeit gesteigert. Aus dem Umgang mit dem Bestehenden aber auch einer Freude am Gestalten und Verändern entstehen so eigenständige Bildwelten, die den Betrachter mitnehmen.

Aus der Re-produktion wird so eine Re-komposition, aus dem statisch eingefangenen Jetzt wird ein offenes angelegtes Narrativ, das vom Betrachter weitergedacht werden kann.

Ein breit angelegtes Spektrum an Themen wie Landschaft, Stillleben, Interieur, Porträt usw. hat dennoch in den letzten fast 30 Jahren zu einem konsistenten, eigenständigen und wiedererkennbaren Werk gegenständlicher Malerei geführt, das Andrea Eitel als zeitgemäße Künstlerin positioniert.

MATHIAS PERLET – LEIPZIG

Mit seinen Bildern entführt Mathias Perlet den Betrachter in seinen ganz eigenen Kosmos. Die Bildwelten in seinen Arbeiten liegen jenseits unserer realen Welt – die Protagonisten, meist junge Menschen, bewegen sich in traumhaften Environments oder fernen Welten.

Mit seiner Malweise steht er in einer Tradition figurativer und gegenständlicher Malerei, mit der eine oft vereinfacht als Neue Leipziger Schule umschrieben Gruppe von Künstlern bezeichnet wird. Innerhalb dieser Gruppe hat Mathias Perlet seit seinem Studium seine ganz eigene, künstlerische Handschrift kontinuierlich weiterentwickelt.

Geboren 1958 in Elgersburg, studierte Mathias Perlet zunächst Kunsterziehung an der Universität Leipzig und anschließend Malerei und Grafik an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig. Dort war er von 1987-90 Meisterschüler von Professor Arno Rink. Nach einer Zwischenstation als Bühnenbildner und Ausstatter – beispielsweise für das Theater Nauendörfchen in Leipzig – arbeitet er seit 1995 als freischaffender Künstler in Leipzig.

Häufig verbindet er in seinen Bildern reale Situationen mit surrealen Elementen – so kombiniert er realistische Darstellungen mit grafischen, durch Tapentenmusterwalzen erzeugten Hintergründen –, was den Szenerien bei genauerem Betrachten einen Twist verleiht und das Gesehene in einen aus der Realität ver-rückten Kontext katapultiert.

Zu dieser Behandlung der Hintergründe und dem Verwirrspiel mit ihnen kommt eine ausgeklügelte Lichtkomposition, so dass seine Bilder häufig an Ausschnitte aus einem Bühnenstück erinnern. Es kommen emotionale Zustände, Sehnsüchte und Ängste zur Aufführung und ziehen den Betrachter in das Geschehen hinein.

Arbeiten von Mathias Perlet wurden bereits in zahlreichen Einzelausstellungen national und international präsentiert.

PROTOPLAST – BASEL / CH

Protoplast, gegründet 1990, ist ein Team von drei Schweizer Künstler:innen, die Artefakte generieren.

Protoplast hat ihre Arbeiten international in verschiedenen Museen, Galerien und Kunstinstitutionen präsentiert, darunter Kunsthalle Basel, ACC Galerie Weimar, Kunst Raum Riehen, Kunsthalle St.Gallen, Galerie Guillaume Daeppen, Neue Galerie & Joanneum Graz, Kunstfest Kulturhauptstadt Europas Weimar 1999, Installationen an sieben öffentlichen Orten in Weimar, Universitätsbibliothek Basel, Galerie Littmann Basel, Museum für Gestaltung Zürich, Galerie Apropos Luzern, Centre Pasquart Bienne, Städtische Galerie Böblingen, Kunsthaus Langenthal und Kaskadenkondensator Basel.

Das bisherige Programm zur Herstellung imaginärer Produkte wurde von 1990 bis 2010 von Protoplast entwickelt, präsentiert und abgeschlossen. Das aktuelle Programm zur Generierung von Artefakten begann 2010.

WALTER GUTBROD (1908 – 1998) – LUDWIGSBURG

Walter Gutbrod hinterließ ein reiches Werk mit verschiedenen Genres: Landschaften, Bäume, Akte, Kathedralen sowie unzählige Skizzenbücher. Neben seinem Beruf als Kunsterzieher, den er von 1937-1979 am Mörike Gymnasium in Ludwigsburg ausübte, arbeitete er an seiner Kunst im eigenen Atelier.

Was auf den ersten Blick vielleicht oft wie Karikaturen wirkt, offenbart aber beim genaueren Betrachten sein Bestreben das Wesen der Personen festzuhalten, natürlich auch immer durch die Gutbrod’sche Brille betrachtet und mit seinen persönlichen und stark schwankenden Stimmungen und Befindlichkeiten aufgeladen.

Gutbrod war ein begnadeter Zeichner und der Skizzenblock war sein ständiger Begleiter, auf dem er Jeden und Alles, was um Ihn herum war, festhielt. Er konnte ohne auf das Blatt zu schauen und ohne den Stift abzusetzen Personen erkennbar aufs Papier bringen.

Die Skizzen wurden im Atelier später dann in verschiedenen Formaten ausgearbeitet. Dafür entwickelte Gutbrod eine sehr eigensinnige Technik. Mit mehr oder wenig Terpentin verdünnter Ölfarbe malte er auf Transparentpapier. Diese Technik erlaubte es ihm von einer düsteren, bedrückenden Schwere, bis hin zu einer sonnig-freundlichen Leichtigkeit, von einer pastosen Dichte, bis hin zu einer aquarellartigen Transparenz, zu variieren. Das Transparentpapier verleiht den Arbeiten eine mystische Tiefe und bringt die Farben partiell wunderbar zum Leuchten.

Viele der Blätter sind mit Kommentaren versehen, die sich in den seltensten Fällen auf die Bilder selbst beziehen. Meistens dokumentieren sie Dinge, die während des Malvorgangs passierten, wer gerade angerufen hatte, welche Musik gehört wurde usw.

Wir schauen heut also nicht nur in die Gesichter der Dargestellten, sondern auch in eine Art Tagebuch und somit in das Leben des Walter Gutbrod.

KIT ANDREWS – BRISTOL / UK

Kit Andrews ist bekannt geworden durch filigrane keramische Gefäße mit Reduktionsglasuren. Er hat unter dem Label ‚Rock Hard Pottery' auch begonnen, erotische Spielzeuge herzustellen, die von Hand gedreht und glasiert werden. So entstehen sehr ungewöhnliche Unikate, die nicht nur Augenschmeichler sind. Neben diesen Objekten wurden in einer eigens für die Galerie produzierten Kleinserie „Plug-and-play-vases“, zusammen mit der Galerie Sammlung Amann entwickelt. Eine Arbeit aus seiner Graffiti-Serie, die in Zusammenarbeit mit dem Streetartkünstler Faum72 – ebenfalls aus Bristol – entstanden ist, kann neben weiteren Arbeiten in unserem Onlineshop erworben werden.

 

 

 

CLEMENT LEGRAND – BORDEAUX / F

Clément Legrand arbeitete als Video-Producer und Grafiker, bis er seine Passion für Drucke und Objekte entdeckte. Seine Faszination für die Themen ‚Mann' und ‚Männlichkeit' kommt darin zum Ausdruck. Die idealisierte Darstellung der muskulösen Körper versteht sich dabei auch als Ausdruck seiner Gefühle und Enttäuschungen – von großer Lebensfreude bis zu Unerreichbarkeiten. In der BoysBoysToys. Ausstellung 2023 wurden verschiedene Werkgruppen der letzten Jahre in verschiedenen Formaten sowie einige textile Arbeiten von Clement präsentiert.

 

Jürgen Wittdorf – Berlin

Es ist eine Premiere, dass die Arbeiten des 1932 in Karlsruhe geborenen und 2018 in Berlin verstorbenen Künstlers und Grafikers im ehemaligen Westdeutschland gezeigt werden – denn Wittdorfs künstlerisches Wirken spielte sich bis zu deren Ende komplett in der DDR ab.

Die Familie ließ sich 1945 in der Sowjetischen Besatzungszone nieder. 1950 schloss sich Wittdorf einem Grafikzirkel im Stollberg im Erzgebirge an. Von 1952 bis 57 studierte er an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig, 1957 wurde er Mitglied des Verbands Bildender Künstler der DDR und übte neben seinem eigenen Schaffen auch Lehrtätigkeiten aus. Mit dem Mauerfall hatte Wittdorf über Nacht keine Aufträge mehr und sich dann bis an sein Lebensende – in seinen letzten Jahren noch an Demenz erkrankt – mehr schlecht als recht durchgeschlagen.

Wittdorf war als Partei-Mitglied und Mitglied des Verbands in das politische System der DDR eingebunden und konnte von offiziellen Aufträgen durch die Staatsorgane leben.
So realisierte er im Alter von erst 32 Jahren im Auftrag der Deutschen Hochschule für Körperkultur (DHfK) in Leipzig den Zyklus Jugend und Sport. Die fünf Bilder in großen Formaten als Holz- und Linolschnitt bilden in künstlerischer wie auch in handwerklicher Umsetzung eine Meisterleistung – im politisch angesagten Stil des Sozialistischen Realismus. Leistungssport war in der DDR propagandistisch instrumentalisiert und die Sportler von Jürgen Wittdorf ein Sinnbild für die Überlegenheit des Sozialismus.

Zugleich aber gelang es Wittdorf, mit diesem Zyklus ein homoerotisches Statement abzugeben und damit seiner eigenen Befindlichkeit Ausdruck zu verleihen. Homosexualität war in der DDR eigentlich nicht verboten, man war aber sehr weit davon entfernt, diese im Alltag zu leben oder zu akzeptieren. 

»Ich lebte meine Sexualität aus, indem ich sehr viel Akt gezeichnet habe« bekannte er in einem späten Interview – und so gelang ihm der bemerkenswerte Spagat einer persönlichen Aussage im Kontext offiziell bestellter Werke. Damit dokumentieren Wittdorfs Arbeiten nicht nur Alltagsgeschehen der DDR, sondern zeugen auch von den Möglichkeitsräumen und deren Grenzen, die sich innerhalb der SED-Diktatur für Künstler/innen erschlossen – in einem politischen System, das sehr stark in die künstlerische Praxis hineingewirkt hat.

Wittdorf erweist sich damit sowohl als prominenter Träger des künstlerischen Erbes der DDR als auch als einer der Pioniere der queeren Kunst im ehemaligen Ostblock.

Im Zyklus für die Jugend, der 1963 als Mappenwerk in einer Auflage von 10.000 Exemplaren im Verlag Junge Welt erschienen ist schlägt Wittdorf eine Brücke zwischen der Jugendkultur in Ost und West und die dadurch entstandenen Diskussionen über einen „Verwestlichung“, zeigen sehr gut, in welchem Spannungsfeld die Arbeit der Künstler/innen in der DDR stattgefunden hat.

Der Nachhall seiner Arbeiten fällt dünn aus – und einseitig. Als nach der Wende verschiedene Ausstellungen – z.B. im Schwulen Museum 2004, 2008, 2012, im KVOST 2020 oder eine große Schau im Schloss Biesdorf 2022 – gezeigt wurden, gingen schnell Schubladen auf, in die er gesteckt wurde, er wurde z.B. als Tom of Finland der DDR bezeichnet oder wird immer wieder auf die queere Kunst reduziert.

Das Walker Art Center in Minneapolis hat 2023/24 die Arbeiten Wittdorfs mit einem umfangreichen Beitrag aus dem Zyklus Jugend und Sport in der Ausstellung „Multiple Realities – Experimental Art in the Eastern Block 1960-1980“ gewürdigt.

Unsere Ausstellung will zum einen dazu beitragen, die künstlerische Qualität und Breite Wittdorfs neu zu beleuchten – daher präsentieren wir auch eine Auswahl seiner zahlreichen Tierstudien, z.B. die Zyklen Tiermütter und Kinder im Zoo. Außerdem stellen wir – anhand von Kinderbüchern – Wittdorfs Arbeit als Illustrator vor. Und nicht zuletzt zeigen wir keramische Arbeiten von seiner Hand.
Die Ausstellung will aber auch ein Stück Zeitgeschichte der DDR deutlich machen und die Verquickung künstlerischen Schaffens in die propagandistischen Zwecke des Regimes. 

Ermöglicht wurde das Projekt durch die  Zusammenarbeit mit der Sammlung Jürgen Wittdorf von Jan Linkersdorff aus Berlin, und ist Teil des Stuttgart Pride Kulturprogramms 2024.