Der menschliche Körper steht im Zentrum von Heidenwags figurativer Malerei, umgeben von einem abstrakten Bildraum. Körper und Raum haben dieselbe Oberflächenstruktur, teilen so gesehen dieselbe Membran. Diese ist aufgeraut und porös, was Heidenwag durch die Zugabe von Zinkoxid, Stahlpulver, Marmormehl, Kreidepulver und sogar Sand zu seinen Ölfarben erreicht. Die identische Oberflächenstruktur von Körper und Raum wird über einen metaphorischen Ansatz lesbar, mit dem Heidenwag die enge Verflechtung des Körpers mit seiner Umwelt thematisiert.
Die Körper in Heidenwags Bildräumen befinden sich in einem ständigen Prozess des Auflösens und Neuzusammensetzens. Gestische Pinselstriche verflüchtigen sich zu verschwommenen Schlieren und geben die Körperformen teils nur vage als solche zu erkennen. Seinen Werken wohnt ein fotografisches Element inne, denn sie erinnern an Aufnahmen von Bewegung mit Langzeitbelichtung. Die Körper sind eingefroren und doch in Bewegung, büßen dabei ihre klare Kontur ein. Unschärfe wird zur ästhetischen Strategie. Die malerische Auseinandersetzung mit Bewegung und Zeit verankert Heidenwags Gemälde in einem kunsthistorischen Kontext, der an die Schwelle zur Moderne führt. Und zwar zu den Entdeckungen des Fotografen Eedweard Muybridge im ausgehenden 19. Jahrhundert, von dessen Bewegungsstudien auch Maler wie Francis Bacon und Marcel Duchamp maßgeblich inspiriert waren und zu denen wiederum Heidenwags Figuren unverkennbare Nähe aufweisen. Mit seinen fotografischen Sequenzen von Pferden im Galopp oder Menschen im Sprung legte Edward Muybridge den Grundstein für den Film und sich radikal verändernde Sehgewohnheiten. Denn seine Serie zerstörte die Illusion von Kontinuität: Sie zeigte, dass eine Bewegung kein kontinuierlich, unteilbarer Prozess ist, bei dem der Körper in einem fließenden Übergang vom einen Zustand in den nächsten übergeht, sondern dass eine Bewegung aus vielen einzelnen Zuständen besteht.
Auch Heidenwags Arbeiten zeigen nicht einfach eine Figur in Bewegung. Sie zeigen einzelne Zustände von Bewegungsabläufen, die in einer Gleichzeitigkeit stattfinden. Sie sind fragmentiert, stecken noch im vorherigen Zustand fest und gehen dabei bereits in den nächsten über.
Stefanie Ufrecht



















